Friedrichshafen / sz - Mit einem Festakt wird heute das 100-jährige Bestehen des Flughafens Friedrichshafen gewürdigt. Was als Luftschiffhafen und Militärbasis begann, ist heute ein kleines Luftfahrtdrehkreuz nach internationalen Standards. Trotzdem war die Geschichte des Häfler Airports eine mit Steig- und Sinkflügen und manchen Turbulenzen. Zwei Zeitzeugen erinnern sich.
Dass es in Friedrichshafen heute überhaupt zivilen Flugverkehr gibt, hat die Stadt gewissermaßen der Kirche zu verdanken. Genau dort trifft der heute 94 Jahre alte Häfler Segelflugpionier Rudi Flintrop irgendwann im Jahr 1954 auf den Kommandant des 1. Jagdgeschwaders der französischen Besatzungsmacht in Friedrichshafen. Es ist sechs Uhr in der Früh an jenem Tag und Flintrop, dessen kurz zuvor gegründete "Interessengemeinschaft für Flugsport" ein brandneues Segelflugzeug namens "Doppelraab" besitzt, fragt dreist, ob er und seine Männer denn auf dem alten Militärflugplatz in Löwental segelfliegen dürfen. "Kommen Sie am Dienstag in mein Büro", antwortet der Kommandant.
Kurze Zeit später darf Flintrop als erster Häfler nach dem zweiten Weltkrieg mit der Dopelraab vom Flugplatz Löwental abheben. Der Grundstein für eine Entwicklung, die irgendwann mit Ferienflügen in alle Welt endet, ist gelegt.
Kobers Trapez
Doch auch wenn Rudi Flintrop fast so alt ist wie der Häfler Flughafen selbst – seine ganze Geschichte hat der Segelflieger nicht erlebt. Sie beginnt nämlich am 7. Juni 1915. "Am Horizont glitzern die Alpen, unten schimmert der See", heißt es in einer jüngst im Flughafenauftrag verfassten Chronik, als das Luftschiff LZ41 auf dem damals gegründeten Reichsluftschiffhafen zu seiner Jungfernfahrt aufbrecht.
Die Nähe zu den Zeppelin-Werken war damit wichtigster Geburtshelfer des Fluggeländes. Doch bald schon landen in der damaligen Zeppelinstadt die ersten Flugzeuge. 1916 folgt so der erste Fliegerschuppen im Löwental. Und dann, wohl im selben Jahr, eine Deutschlandpremiere: Luftfahrtingenieur Theodor Kober errichtet ein 150 Meter langes befestigtes Trapez auf dem Platz: Deutschlands erste feste Startbahn für Flugzeuge. Bis in die 1990er-Jahre bleibt sie aus der Luft erkennbar.
Was zunächst als Flugfeld mit ansässigen Firmen der Branche vielversprechend beginnt, erleidet durch Deutschlands Niederlage im ersten Weltkrieg auch schon den ersten Niedergang. Flugzeuge und Luftschiffe dürfen bis in die 20er-Jahre nicht mehr in Löwental gebaut werden. Erst zur Mitte des Jahrzehnts ändert sich das. Was der Ingenieur Claude Dornier dann vorhat, wird deutlich, als er in der ersten Luftschiffhalle in Löwental eine Holzattrappe des bald größten Flugzeugs der Welt errichten lässt: Der Dornier Do X.
Auch der nächste Wachstumsschub kommt wieder vom Militär. 1933 ergreifen die Nazis die Macht. Kurz nachdem erste zivile Linien der Luft Hansa in Friedrichshafen verkehrt, werden auch wieder Bomber am Flugplatz gefertigt.
Die Franzosen kommen
Auch wenn Friedrichshafen nie vollständig zum Kriegsflughafen ausgebaut wurde – der Krieg lässt das Gelände nicht unversehrt. Was die siegreichen Franzosen 1945 vorfinden, gleicht einer Waldlandschaft, durchlöchert wie ein Schweizer Käse. "Wir haben erst mal Bäume gefällt, erinnert sich Segelflieger Flintrop heute, der nur mit Glück der Kriegsgefangenenschaft entgangen war.
Es dauert noch eine ganze Weile, bis nach dem Beginn des Segelflugsports aus dem Flughafen ein echter Verkehrsflughafen wird. Ein wichtiger Schritt ist gewiss die Einrichtung einer sogenannten Kontrollzone über Friedrichshafen. Seit 1979 koordinieren Fluglotsen in Friedrichshafen die An- und Abflüge der Maschinen. Eine, die damals angefangen hat, ist Claudia Jungschmidt – noch heute auf dem Kontrollturm in Friedrichshafen arbeitet und die ihren Arbeitsplatz lange Zeit mit französischen Militärs teilen muss.
"Für jeden, der mit der Fliegerei zu tun hatte, war der Flughafen zu dieser Zeit ein Hort der Glückseligkeit", sagt die 62-Jährige. In den 80ern werden Fluggäste zwar in einer desolaten Baracke abgefertigt, die mitunter mit der Filmkulisse aus "Des Teufels General" verglichen wird und das Flugzeug der Linie Friedrichshafen-Zürich, "Bodensee-Jumbo" getauft, ist gerade mal ein Zwölfsitzer – trotzdem ist das Team am zweitältesten Flughafen Deutschlands zu dieser Zeit eine eingeschworene Gemeinschaft: hier die französischen Militärs und Hausherren mit ihrer Hubschrauberstaffel, dort eine Flughafen GmbH mit zwei handvoll Mitarbeitern, der Luftsportclub und einige Flieger der Bundeswehr. "Auf dem Tower sprachen die Deutschen und die Franzosen Englisch miteinander", sagt Jungschmidt. Die Fliegersprache muss in Friedrichshafen eben Völker verbinden.
9000 Unterschriften
Ein Meilenstein auf dem Weg zum Jedermann-Airport ist der Abzug der Franzosen 1992 trotzdem. Die Aufnahme des Charterflugbetriebs mit Flügen in alle Welt geschieht kurz zuvor im Wendejahr 1989. "Plötzlich wollten alle fliegen", wird der damalige Flughafenchef Hans Weiss, der damals auch den Bau des neuen Terminals erreicht hatte, in der neuen Chronik zitiert. Die Wahrheit trifft das ungefähr zur Hälfte: Als am 7. Mai 1989 die ersten beiden Boeing 737 aus Kreta und Mallorca landen, treffen zwei Lager am Flughafen aufeinander. Drinnen die Fluggäste auf dem Weg in den Urlaub, vor den Toren demonstriert eine Hundertschaft von Häflern der Bürgervereinigung Schutz vor Lärm. Ihren Widerpart findet sie in der Bürgervereinigung "Flugplatz für alle", die zuvor 9000 Unterschriften für die Aufnahme des Ferienflugbetriebs gesammelt hatte.
Auch wenn der Flughafen seither mehrmals erweitert wurde – und wegen seiner chronischen Finanzprobleme oder seines überalterten Kontrollturms immer wieder in der Kritik steht: Aus Friedrichshafen ist er heute nicht mehr wegzudenken. 2014 starteten 590000 Menschen von hier aus in aus in alle Welt. Dass es ein historischer Ort ist, wissen allerdings die wenigsten: "Noch heute finden sich hier Steine und Fundamente der alten Zeppelinhallen", weiß Claudia Jungschmidt.